Die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe kommt auf Druck der EU in Schwung. Vecoplan ist schon lange im Recyclingbereich aktiv. Spüren Sie eine gestiegene Nachfrage?
Martina Schmidt: In Schwung kam die Kreislaufwirtschaft meines Erachtens nicht nur durch die EU-Kunststoffstrategie und die damit einhergehenden Vorgaben von Recyclingquoten. Ein wichtiger Faktor war auch die fast gleichzeitig getroffene Entscheidung Chinas, keinen Kunststoffabfall mehr zu importieren. Dieser Importstopp war eine Initialzündung. Ab diesem Zeitpunkt konnte man spüren, dass die Nachfrage nach Zerkleinerungs- und Sortiertechnik deutlich gestiegen ist und dass dort in Kapazitäten und in Qualitäten investiert wurde und weiter wird. Man musste schließlich sehen, wohin mit dem Kunststoffabfall und man erkannte, dass sehr viel Aufbereitungstechnik gebraucht wird, um bessere Materialqualitäten für den Markt zu erzeugen. Wir bei Vecoplan spüren daher eine gestiegene Nachfrage. Der Markt ist sehr agil und dynamisch. Aber Vecoplan wächst nicht nur mit dem Markt, sondern gewinnt auch im Markt weitere Marktanteile. Für unsere Kernkompetenz, das Schreddern, haben wir in den letzten Jahren eine Entwicklungsoffensive mit Integration von Industriedesign gestartet. Den nachhaltigen Erfolg erleben wir tagtäglich.
Was sind die größten Herausforderungen auf dem Weg zu einer gut funktionierenden Kreislaufwirtschaft?
Martina Schmidt: Die Akzeptanz der Verbraucher ist eine der größten Herausforderungen. Lebensmittelverpackungen landen beispielsweise im Privathaushalt im Abfall. Allein das Wort Abfall ist schon negativ belegt, dabei sind Verpackungen ein Wertstoff. Wir Maschinen- und Anlagenbauer und unsere Kunden hegen den Anspruch, diese Verpackungen wieder in den Kreislauf als neue Verpackung oder andere hochwertige Produkte zurückzuführen. Viele Verbraucher verbinden Kunststoffrecycling nur mit Parkbänken oder Müllbeuteln. Die Entwicklung der Technologie ist heute aber schon sehr viel weiter und wird auch in Zukunft deutlich ausgebaut werden. Wir sprechen bei Recycling von Upcycling und nicht von Downcycling. Schlussendlich ist die Identifikation des Verbrauchers mit den neuen Produkten aus recyceltem Kunststoff der maßgebliche Schlüssel für eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft.
Die Verbraucher zeigen oft auf die Hersteller als Verursacher des Problems.
Martina Schmidt: Als Beispiel reden wir wieder von Lebensmittelverpackungen. Würde sich der Produktanbieter für eine andere Art der Umverpackung als Kunststoff entscheiden, dann wären damit die Probleme auch nicht gelöst. Wenn kein Kunststoff verwendet wird, können die Nachteile mannigfaltig sein. Kunststoff hat eine natürliche Barriere, die unter anderem Frische, Sterilität und Hygiene bietet. Kunststoffverpackungen sind leichte Verpackungen. Während mehr als 50 Prozent aller europäischen Waren in Kunststoff verpackt werden, machen sie nur 17 Prozent des Gesamtverpackungsgewichts aus. Leichtgewichtige Verpackung bedeutet auch leichtere Ladungen und weniger LKW, die für den Transport der Produkte notwendig sind. Das senkt den Kraftstoffverbrauch, reduziert den Ausstoß an Treibhausgasen und verringert die Versandkosten. Es hilft auch, die Menge an produziertem Abfall zu verringern. Ich stelle die Gegenfrage: Welches andere Verpackungsmaterial kann bei gleichen Eigenschaften Kunststoff substituieren? Der Verbraucher wird noch sehr lange Kunststoffverpackungen brauchen. Und es wird künftig auch noch verschiedene Arten von Kunststoffen für die verschiedenen Nutzungsgegenstände geben müssen.
Je sortenreiner Altkunststoff ist, desto bessere Qualitäten lassen sich für das Rezyklat erzeugen. Ist es besser, darauf schon beim Sammeln zu achten oder auf Maschinentechnik zu setzen, die die Sortenreinheit herstellt?
Martina Schmidt: Für das Erkennen von Kunststoffen existieren unterschiedliche Bestimmungsmethoden wie zum Beispiel die visuelle Prüfung, die Haptik-Prüfung oder auch Brenn- und Geruchsproben. Keine davon eignet sich aus meiner Sicht für den Hausgebrauch. Kennzeichnungssysteme funktionieren auch nur bedingt. Der Verbraucher weiß schlicht nicht zwischen unterschiedlichen Kunststoffsorten wie PP, PE oder PET zu unterscheiden. Automatische Sortieranlagen können das aber bereits heute. Sie trennen sogar nach Farben. Denn richtig ist natürlich: Je größer die Sortiertiefe, desto höher wird die Qualität.
Die EU geht davon aus, dass die Kreislaufwirtschaft einen Innovationsschub bringen wird. Sehen Sie das auch so?
Martina Schmidt: Ein klares „Ja“. Durch die höheren Quoten stehen größere Mengen an Rezyklaten zur Verfügung, die verwertet werden müssen. Die Akzeptanz der Rezyklate zur Verwendung in der Herstellung neuer Produkte kann nur nachhaltig gestärkt und ausgebaut werden, wenn kontinuierlich an der Qualität gearbeitet und diese stabil gehalten wird. Ein Einflussfaktor beim Recycling ist beispielsweise schon die erste Verarbeitungsstufe, das Zerkleinern. Die Kunststoffe haben unterschiedliche Materialeigenschaften. Es ist wichtig beim Shreddern darauf zu achten, dass die Charakteristiken nicht verändert werden, zum Beispiel durch Wärmeeintrag. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel Know-how entwickelt, um hier mit bestmöglicher Schnittgeometrie und Energieeffizienz optimale Ergebnisse für das weiterführende Recycling zu erzielen.
Glauben Sie, dass die Kreislaufwirtschaft in der EU zu einem besseren Kunststoffimage führen wird?
Martina Schmidt: Nicht unbedingt. Der Müll in den Meeren, der zu einem Großteil zum schlechten Image des Kunststoffs beiträgt, entsteht überwiegend in Ländern, in denen mit Abfall falsch umgegangen wird. Dort gibt es nicht einmal in Ansätzen eine Kreislaufwirtschaft, Sammelsysteme beispielsweise fehlen meist völlig. In Deutschland sind wir schon auf einem guten Weg, und wir werden uns auch noch weiter nach vorne entwickeln. Wir sollten anderen Ländern helfen, denn wir wissen ja schon, dass man trennen muss und wie man das macht.
Deutschland sollte also Vorbild sein?
Martina Schmidt: Es wird viel zu wenig darüber geredet, wo Materialien heute schon gut recycelt werden und wo Prozesse sicherstellen, dass die Umwelt nicht geschädigt wird. Die Kreislaufwirtschaft hat in Deutschland schon vor Jahrzehnten angefangen. Seitdem üben wir und werden immer besser. Bei Papier und Glas haben wir schon Recyclingquoten von über 90 Prozent erreicht. So wird es uns auch im Kunststoff gelingen. Wir hätten durchaus die Möglichkeit, als Vorreiter oder als Best Practice in Ländern aktiv zu werden, die Nachholbedarf haben. Ich mache die Erfahrung derzeit in Russland. Viele Menschen dort sagen, sie wollen keine Deponien mehr in ihrer Umgebung haben. Nirgendwo sehe ich derzeit ein größeres Interesse als in Russland, eine Kreislaufwirtschaft einzuführen. Den Menschen ist es ein Bedürfnis, nicht mehr alles auf den Müll zu werfen. Sie müssen einfach nur die Möglichkeiten haben.
Das Interview wurde vom VDMA für die Berichterstattung zur K 2019 geführt